11.09.2023

Gesellschaft

Mikromobilität und Nachhaltigkeit

Eine Frau mit Helm fährt auf einem E-Tretroller über eine Straße.
Der E-Roller als Inbegriff der Mikromobilität: Welche Potenziale bietet diese eigentlich? Foto: JavyGo via unsplash

Mikromobilität ist ein wachsender Trend. Aber kann sie einen nennenswerten Beitrag zu nachhaltigerer Mobilität leisten? Mehr dazu lesen Sie hier.


Mikromobilität nimmt zu

Viel wird gestritten dieser Tage in Bezug auf die Verkehrswende. Neben spannenden Pilotprojekten mancherorts, tun sich andernorts immer noch viele Städte und Kommunen schwer damit, motorisierten Individualverkehr zu begrenzen und alternative Angebote attraktiv in die existierenden Infrastrukturen zu integrieren. Dabei ist die Liste an ebenjenen alternativen Verkehrsmitteln nicht zu kurz. Neben klassischem ÖPNV mit Bus und Bahn oder der Nutzung des Fahrrads, tauchen seit geraumer Zeit weitere Fortbewegungsmittel auf. Sie werden der sogenannten Mikromobilität zugerechnet.

Darunter versteht sich die Fortbewegung mit leichten, kompakten und individuell nutzbaren Geräten. Diese können sowohl elektrisch motorisiert als auch ohne elektrischen Antrieb konzipiert sein. Mikromobilitätsfahrzeuge sind meist für kurze Strecken von nur wenigen Kilometern konzipiert und fahren mit niedrigen Geschwindigkeiten, in der Regel unter 25 Kilometer pro Stunde. Bekanntestes Beispiel der Mikromobilität ist sicherlich der E-Tretroller, der vor einiger Zeit einen wahren Hype erfuhr. Zunächst hatte ein Sharing-Anbieter im Segment E-Tretroller im Herbst 2017 in Santa Monica/USA erste Modelle auf den Markt gebracht. Von dort verbreitete sich das Konzept rasch weltweit. Auch in Europa kamen die Roller an und sind nun aus kaum einer Innenstadt mehr wegzudenken. In Deutschland wurde im Juni 2019 gar eine eigene Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen (mit Lenk- und Haltestange) am Straßenverkehr verabschiedet, um die Nutzung der Tretroller im Stadtverkehr zu regeln.


Mehr als E-Roller

Neben den viel diskutierten E-Rollern gehören aber noch weitere Fortbewegungsmittel zur Mikromobilität. So zum Beispiel Segways, E-Leichtfahrzeuge, Hoverboards, Monowheels sowie E-Skateboards und klassische Skateboards zählen dazu. Durch ihre geringe Größe und Flexibilität bieten all diese Geräte gerade im städtischen Umfeld deutliche Vorteile gegenüber dem Pkw. Sie sind beispielsweise schnell eingepackt oder beinahe beliebig abstellbar und können außerdem auch in Zonen genutzt werden, die für den klassischen Autoverkehr gesperrt sind. Neben der Nutzer*innen-Freundlichkeit könnte die Mikromobilität dabei tatsächlich auch einen Beitrag zu einem besseren Stadtklima leisten. So schreibt das Deutsche Urbanistik Institut (Difu) in einem Bericht aus dem Jahr 2021: „Mikromobile leisten einen Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität, vor allem, wenn sie konventionelle PKW-Fahrten ersetzen.“


Kritik an Mikromobilität 

In dieser Aussage offenbart sich jedoch das Dilemma der Mikromobilität und ein großer Kritikpunkt. Denn Studien zeigen, dass Mikromobilität nicht in erster Linie dazu dient, bisherige Hauptverkehrsmittel zu ersetzen. So wird der E-Tretroller nicht statt des Autos, sondern oft zusätzlich benutzt. Für Strecken, die andernfalls zu Fuß  zurückgelegt werden würden. Dies ist bei einem Skateboard ohne Elektromotor nicht weiter dramatisch. Die Kleinstfahrzeuge mit E-Antrieb stehen hingegen in der Kritik. Denn die Umweltbilanz von Elektromobilität ist umstritten, da zum Beispiel der Abbau von Lithium vor Ort oft kaum als umweltverträglich und verantwortungsvoll zu garantieren ist.

Weiterhin hat das Überangebot an Rollern für die Infrastruktur der Stadt nicht nur Gutes getan. Vor allem unbedacht auf dem Gehsteig abgestellte E-Scooter können zum Beispiel für Menschen mit Sehbeeinträchtigung eine Gefahr darstellen. Roland Stimpel, Stadtplaner und Vorsitzender des Fußgängerschutzvereins FUSS e.V. etwa betont im Gespräch mit Deutschlandfunk, dass die Roller die bestehende Mobilität eher störten, als sie zu fördern. Viele Städte versuchen deshalb nachzujustieren. Vereinzelt finden sich bereits explizite Rollerparkplätze. Oder gleich Zonen, in denen das Abstellen und die Nutzung komplett verboten sind. So etwa in Paris. Dort tritt nach einer Bürger*innen-Befragung ab September diesen Jahres ein komplettes Verbot für E-Roller in der Innenstadt in Kraft.


Potenziale der Mikromobilität 

Ist die Mikromobilität also mehr Fluch als Segen? Ganz so simpel lässt sich die Debatte nicht auflösen. Denn gerade dort, wo keine anderen alternativen Verkehrsmittel zum Auto bestehen, entfaltet sie ihr Potenzial. Also zum Beispiel zur Verknüpfung von Umland, Stadtrand und Innenstadt. Dort können Tretroller, E-Leichtfahrzeuge oder E-Bikes als Zubringer auf der ersten bzw. letzten Meile im Zusammenspiel mit dem öffentlichen Verkehr zum Einsatz kommen. Dieser Lückenschluss im Netz des Öffentlichen Verkehrs macht die Nutzung der Mikromobilität attraktiver.

Ein weiterer positiver Aspekt ist das gemeinschaftliche Besitzmodell, das durch die Mikromobilität gefördert wird. Sharing-Angebote, die von einer Stadtverwaltung oder einer privaten Einrichtung unterhalten werden, beweisen, dass nicht zwingend jedes Individuum ein Fortbewegungsmittel besitzen muss. Vielmehr dient eine gemeinsame Flotte der Gemeinschaft und jeder nutzt frei nach Bedarf. Ein großer Pluspunkt gegenüber privaten PKWs, welche die meiste Zeit unbenutzt stehen. Auch aus ökonomischer Sicht ist ein solches Modell attraktiv. Denn der Abschluss einer Versicherung, die regelmäßige Wartung und der Kauf von Kraftstoff für den oder die Einzelne*n entfallen. 

Prognosen gehen davon aus, dass der Mikromobilitätsmarkt auch in Zukunft weiter wachsen wird. So prophezeit das Marktforschungsunternehmen Grand View Research aus den USA beispielsweise eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des E-Scooter-Marktes von 7,6 Prozent zwischen 2021 und 2028. Wenn sich die Technologie dabei weiterentwickelt und es Städten gelingt, Herausforderungen in der Logistik auf kluge Weise zu meistern, könnte die Mikromobilität also tatsächlich zu einer nachhaltigeren Mobilität beitragen.

Mehr Beiträge zu Stadtmobilität und Verkehrswende finden Sie in unserem Themenspezial zu Mobilität.

 

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